Gastbericht „Isarquelle“ 12. – 14.05.2023

Einige Male in den letzten Jahren durfte ich schon an Ausfahrten der Teamworker Berlin teilnehmen. Radfahrerische Kompetenz, Fairness und menschlich unkomplizierter und freundschaftlicher Umgang verschmolzen stets in Anstrengung und Vergnügen. Da kann man über fehlende Höhenmeter, an die man als (Wahl-)Schwabe gewöhnt ist, bei den Berliner Flachländlern auch mal hinwegsehen, wobei ich zügige Flachfahrten sogar als anstrengender empfinde als wellige Ausflüge.

An Höhenmetern mangelte es jedenfalls an diesem Wochenende nicht, 1000 hin, rund 800 zurück.

Tag 1: Anreise

Die hervorragend von Thilo gescoutete Graveltour begann beim Zusammentreffen im Ristorante „Al Ruscello“ im Nebengebäude des Hotels zur Post, in dem mein Bruder Peter für die Teilnehmer Zimmer gebucht hatte. Als Mitradler waren dabei neben den beiden Planern Cornelia und Kai, Klaus, Dietrich und Dietmar nebst Gattinnen, die sich einen München-Aufenthalten mit Shopping gönnen würden. Autos und Räder konnten wir im labyrinthischen Tiefgaragensystem parken, großzügigerweise ließen uns die Hoteleigner unsere Autos bis Sonntag dort stehen – ohne Extra-Gebühr. Holger war ebenfalls dabei, leider verletzungsbedingt (toi toi toi für die OP am Montag), nicht per Rad, sondern als „Begleitfahrzeug“. Bei bayerischem Hellen und alkoholfreien Alternativen, knuspriger Pizza und anderen italienischen Spezialitäten wurde locker geplaudert, denn viel zu planen gab es ja dank der exzellenten Vorbereitung nicht. Wir wurden strengstens auf den Startzeitpunkt 8 Uhr am nächsten Morgen eingeschworen.

Tag 2: Ismaning nach Scharnitz (166 km)

Das Frühstück in der Post (ab 6 Uhr) war besonders reichhaltig, neben Bayerischem (Brezn, Obatzda & Co.) kitzelten auch internationale Spezialitäten wie Hummus und Bulgur den Gaumen.

Das trübe, kühle und feuchte Wetter ließ eher an eine Winter-, denn eine Frühlingstour denken. Voll ausgerüstet für Schlechtwetter fanden sich alle Teilnehmer ein und wurden von Peter um 2 nach 8 zur Abfahrt gemahnt, nicht ohne zuvor ein Gruppenfoto zu schießen, dem im Laufe der Tour noch einige folgen sollten.

Der Weg führte uns bei rund 10 Grad, starker Bewölkung und leichtem Niesel direkt zur Isar, wie es sich gehört auf unbefestigten und häufig auf Schotterwegen. Die obligatorischen Reparaturstops wurden in der ersten halben Stunde absolviert, Thilo mit Kettenproblem, das er händisch auf (für mich) wundersame Weise mit allerlei feinmotorischem Einsatz von intrikatem Werkzeug löste – was man so alles dabeihaben kann – und Kai mit einen schlappen tubeless-Reifen, den er behende auswechselte, allerdings erst nach Freisetzung seiner fahrradmechanischen Fähigkeiten durch ein kurzes, herzhaftes Fluchen.

Danach blieben wir von Pannen (abgesehen von einem kleineren Problem bei Kai – ebenfalls nach kurzem Fluch in kürzester Zeit bewältigt) und Unfällen verschont. Dank schlechten Wetters war der Isar-Wanderweg frei von Publikum, was smoothes und zügiges Vorwärtskommen ermöglichte. München ließen wir rechts liegen, um nach einer ersten heftigen gravelligen Steigung den mondänen Vorort Grünwald (hohe Villen-, Bentley- und Tesla-Model-X-Dichte) zu durchqueren, bevor wir wieder an den Isarweg einbogen. Dieser führte uns mit unbefestigten, aber einfachen Gravel-Wegen nach Süden mit Blicken auf Isarauen und kanalisierte Flussabschnitte hurtig nach Süden, der Blick auf die Berge stets begrenzt durch Wolken auf halber Höhe. Bei Wolfratshausen überquerten wir den Fluss und setzten über abwechslungsreiches Terrain abseits der Isar den Weg vorbei an Geretsried fort, um beim Isarstausee Bad Tölz wieder auf unseren namensgebenden nassen Begleiter der Reise zu stoßen.

Nun wieder flussnah vorbei an Bad Tölz und mit einem Seitenwechsel bei Obergries freuten wir uns auf Labsal im Gasthof Pfaffensteffl in Lenggries, wo Holger eine zünftige bayerische Brotzeit mit Wurst, Schinken, Käse, Rettichraspeln, Getränken und Kaffee für uns organisiert hatte. Großen Dank an den edlen Spender! Als besonderes Schmankerl hatte er einen alten Freund eingeladen, den zweimaligen Fahrrad-Olympioniken und vielfachen Meister der 60er Jahre Burkhard Ebert (https://de.wikipedia.org/wiki/Burkhard_Ebert), mit dem wir angeregt plauderten. Wann trifft man schon mal eine solche historische Gestalt des Sports mit Wikipedia-Eintrag, deren Leistungen mit einfachster Fahrradtechnik uns komfortverwöhnten Hightech-Radlern immer wieder Hochachtung abnötigen. Mit gebunkerten Kalorien und den niedrigen Temperaturen um die 7 Grad trotzend, bewegten wir uns überwiegend auf Gravel-Strecken südwärts und erreichten den sich eindrucksvoll in der Berglandschaft erstreckenden Sylvensteinsee.

Im weiteren Verlauf genossen wir Blicke über die urwüchsig-natürliche Isar-Flusslandschaft bis Mittenwald, vorbei an der Kaserne der legendären Gebirgsjäger. Danach war es zwar immer noch nicht trockener und wärmer, aber die Elite (Thilo, Cornelia und Kai, Klaus, Dietrich und Dietmar) spornte das umso mehr an, die Tour noch mit dem Anstieg zur Isarquelle zu krönen.

Derweil opferten sich Peter und ich, um den Gasthof Ramona zu inspizieren. Dort empfing uns bereits Holger, mit dem wir nach Beziehen der Zimmer ein oder zwei Zipfer-Helle vom Fass genossen. Nach 1 ½ Stunden traf auch die Isarquellen-Crew ein, erstaunlich fit wirkend, und wir ließen den Abend ins gemütliche Abendessen übergleiten, nicht ohne von Peter eindringlich an den Starttermin 8 Uhr erinnert zu werden. Danke nochmal an Klaus, der mich als Strava-Kumpel einlud, so dass ich die Tour trotz selbsttätig vom Handy entkoppeltem Garmin Kudos heischend in meinen Account stellen konnte. Der ein oder andere soll anschließend auf dem Zimmer auch noch einen Blick auf den zeitgleich laufenden ESC geworfen haben.

Tag 3: Scharnitz nach Ismaning (141 km)

Den Tag begannen wir mit dem schlechten Omen des wie üblich letzten Platzes beim ESC für Deutschland (mit den passend benamten „Lord of the Lost“), ließen uns dadurch aber nicht die Laune trüben (den allermeisten war´s sowieso egal). Das Frühstück rustikaler als in der Post, aber es fehlte an nichts. Wie sich später herausstellte, hatten einige Teilnehmer (generisches Maskulinum) das ausgehängte Schild übersehen, das Mitnahme von Speisen strengstens untersagte, und Wegzehrung eingepackt. Nachdem wir unsere Räder aus der Garage geholt hatten, starteten wir pünktlich bei 4,5 Grad und es wurde bis Grünwald nicht wärmer als 7/8 Grad, blieb aber, von einigen wenigen angedeuteten Nieseltröpfchen abgesehen, trocken.

Thilo hatte für die Rückfahrt eine Alternativroute ausgearbeitet, mit Ausflügen in den Berg mit ein paar heftigen Steigungen (besonders leichtfüßig bewältigt von Dietrich mit seinen kräftigen Beinen und einem gigantischen Ritzelpack und sowieso von Dietmar mit seinen überlegenen Bergqualitäten, die er später bei der Steigung nach Rothenrain nochmals demonstrieren würde) und auf Wegen mit ziemlich grobem Geröll. Ein Hochgenuss für unsere Gravel-Bikes, die sich zwar schon am Vortag in ihrem angestammten Lebensraum wohlfühlen durften, sich aber hier wahrlich artgerecht austoben konnten. Ein herrlicher Abschnitt unserer Ausfahrt! Teils auf mit Tag 1 identischem, teils abweichendem Weg mit einigen kurzen Irrwegen und einer Fast-Wanderung auf schlammig-abschüssigem Waldboden (nur Dietmar und ich plädierten für Weiterwandern, auf Mehrheitsbeschluss wurde umgedreht und eine bessere Route gewählt) fuhren wir recht zügig und mit nur wenigen Pausen gen Norden.

Tempo und Charakter der Kolonnenfahrt hatten nun schon eher rennradartigen Charakter angenommen und genau diese Mischung macht den Reiz der Gravelbikes aus. Der Plan, eine kurze Mittagspause in einer Bäckerei einzulegen, wurde etwas inkonsequent umgesetzt, in Rothenrain ließen wir das einladend wirkende Café Bolzmacher rechts liegen, im nächsten Ortsteil zog sich Thilo an der Genuss-Box, einem Automaten mit lokalen landwirtschaftlichen Produkten, 4 geräucherte Würste, von denen er unter deutlichem Wohlgefallen sogleich eine im Fahren konsumierte. Anschließend war bei ihm eine Leistungssteigerung festzustellen, die bis zum Schluss anhielt. Aber auch bei Cornelia zeigte sich trotz der Strapazen des Vortages auffallend mehr „Wumms“, und das ganz ohne Schweinswurst-Doping. Es geht doch nichts über versteckte Kraftreserven. Alle anderen blieben ihrem Leistungsniveau treu, mit kaum fühlbarer Schwächeltendenz gegen Ende.

Aber zurück zur Wegstrecke: Wir passierten in Egling die Fischzucht Aumühle, als Peter erspähte und verkündete, dass dort Fischbrötchen zu bekommen waren, wahlweise mit (laut Schild Vorderseite „geiztem“) Lachs oder Räucherfisch ungenannter Spezies. Wir machten Halt und wer nichts aus dem Hotel Ramona dabei hatte, stärkte sich mit Backware und Omega-3-Fettsäuren, so dass das innere Kraftwerk wieder auf Volllast schalten konnte. Den weiteren Weg absolvierten wir überwiegend auf umgekehrtem Pfad von Tag 1 und erreichten Grünwald, als die Sonne die Wolkendecke durchbrach, um unsere geschundenen Körper bei nun 11 Grad – gefühlten 15 – sanft zu streicheln. Der Isarwanderweg war schon bei Bad Tölz ungleich stärker bevölkert als am Vortag (klar: Sonntag und Muttertag) und in den Isarauen von München tummelte sich dichter Radl- und Spaziergängerverkehr, den wir natürlich sicher, höflich und souverän umzirkelten. Es gab keine unangenehmen Begegnungen. Der letzte Abschnitt zog sich länger hin als gedacht (subjektiv), doch schließlich erreichten wir unser Ziel, das Hotel zur Post. Herzliche Verabschiedung mündete in allgemeine zufriedene Abreise mit Heimfahrt bei spannenden Radionachrichten über die Wahlen in Bremen und in der Türkei.

Fazit:

Eine Tour wie aus dem Heiligen Buch Gravel. Nie war mehr Schotter, Kies und Waldboden. Ein Hochgenuss, der noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Danke an die Planer und alle Mitfahrer. Auch das Wetter hat mitgespielt, denn wir wollen doch hart sein, oder?

Bericht von Rolf Diekmann
Videos von Thilo Kudelka, Bilder von den Teilnehmern.